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Zwiegespräch Bäume - Nature Writing

Zwiegespräch Bäume

Begegnung mit Bäumen

Auf-wachsen
Ich wuchs mit dir auf, immer höher, schnell warst du mir voraus zum Licht.
Immer da, immer anders in der sich wandelnden Zeit. Suchte Halt an deiner rauen Rinde.

Blüten, Früchte, schwarze Äste im Nebel -

Ich lernte deine Bewohner kennen: Rote Eichhörnchen, alle bunten Vögel und ihre Stimmen. Sah durch dich Licht, Wolken und Mond in Sonne, Sturm und Regen.

Hörte den Wind, den Gesang des Morgens und des Abends -

Und nun, wo du selbst Stützen brauchst, gibst du immer noch Raum und stehst umschwärmt vom goldenen Flirren emsiger Hornissen.

Immer da, immer anders, wandelst du dich, doch ich weiß nicht, wie sich die Zeit wandeln wird weiter um uns …

Ein gefundenes Blatt
Ich habe dich gefunden
irgendwo auf dem Waldboden:
Mit Linien und Schatten und
einem kleinen Loch.
Deine bräunliche Form wie der Baum
zu dem du gehörst.
Seine Zweige deine Lebensadern
gezeichnet von Witterung und Zeit.

Wenn ich durch das kleine Lochin diesem Blatt schaue,
wird sich meine Welt verändern?
Werde ich mich verändern?

Vielleicht ist es, wie zum ersten Mal
durch ein Kaleidoskop schauen:
Wie habe ich mich gewundert und gefreut!
Alles verändert sich,
alles findet einen neuen Platz,
eine neue Ordnung entsteht und
alles beginnt wieder von neuem.

So wächst und verändert sich dieses Blatt
als Teil der Eiche,vom ersten Grün zum Maigrün,
vom staubigem Schatten zum Herbstlicht,
vom warmen Rot zum kalten Grau
und wieder zum Grün.

Ich finde dich wieder auf den
Zweigen über mir:
Kleine grüne Finger entfalten sich,
strecken sich der Sonne entgegen -
Die wechselnden Jahreszeiten sind
nun mein wunderbares Kaleidoskop. 

Meine Hand schreibt, nicht ich
Wo will ich hin, was will ich schreiben?
Will ich schreiben, wo bin ich?

Meine Hand in Bewegung, die Hand schreibt schon so lange, so viel, wie weiter? Immer weiter … über den Wald, die Bäume, die Hand hält Blätter und schreibt.

Die Finger schreiben wie die fünf Enden der Ahornblätter.
Seid ihr verwandt, woher kennt ihr euch, war die Hand mal ein Blatt, was fühlt das Blatt?

Auch die andere Hand war ein Blatt, beide Hände sind Blätter an einem Baum, der die Arme reckt zum Licht.

Ich will auch zum Licht, mein Kopf, seine Krone, wir wollen Licht und Luft.


Bäume und wir

Mein Wald
„Mein“ Wald, ich habe keinen Schutz für dich, du verschwindest vor meinen Augen. Schwarze Schornsteine, ohne Laubwolken, ein Friedwald der anderen Art ...


Endlich verstehe ich - die Sonne brennt auf uns beide, ich fliehe. Ich will es nicht sehen, umgehe, vermeide, verschließe meine Augen, um dann doch zurückzukehren, zu dir.

Nur eine kurze Zeit, vom Vorfrühling zum Spätfrühling - deine Stämme behaust von quirligem Leben, deine Rinden überzogen von saftgrünem Geflecht versponnener Moose. Und zwischen den schwarzen Vertikalen der Boden übersät von gelbhellgrünen Wirbeln, gezackten Trieben, die ihre Finger dem Licht entgegen strecken.

Unter eurer Schattenkühle werde ich nicht mehr Schutz finden. Ihr habt es geschafft, wie lange, bis andere kommen und wieder stören was allen gehört?

Habt ihr die Zeit, die ich nicht habe, Eichenjahrhunderte? Zu spät für mich, Hoffnung für dich, mein Wald?

Wächter der Stadt
Sie stehen stramm, halten aus, in Reih und Glied, Wächter des Lärms,des monotonen Rauschens der Stadt.
Graue Gestalten, die Luft spenden sollen, wie können sie das?
Staub, Stein, Asphalt – Wurzeln, diktiert zwischen geometrischen Pflastersteinen. Ab und zu ein Kraut, das sich durch kämpft und Blätter, dem Aufräumkommando entronnen, liegen vereinzelt seltsam bezuglos im Grau.

Regnerischer Wald
Überall tropfendes Wasser:
Von einem Blatt zum anderen
entlang all der schwarz glänzenden Zweige und Äste.
Fließendes Wasser
Blätter fallen in Pfützen
und Wolken spiegeln sich in Pfützen -
Mein Atem ist eine Wolke aus winzigen, glänzenden Tropfen –
Was für eine Erleichterung nach einem unerbittlichen Sommer!


Where the water flowed into the sky
there were plenty of
rich greens, trees in their green golden
garments of spring.

Under the surface lived the caddisfly
hiding in her little portable treasure chest.
The dragonfly waited in the long grass
for her first turquoise flight
into the green sky.

Where the sky flows into the water
there is now only
dryness, no life, nothing moves
no light blue reflections
over the golden creatures
under the surface.
Where is the keeper of this treasure?
Who sees these jewels
of light and water?
Who hears the glittering lines
of living movements?

Eichen -
Was haben sie gesehen?
Was sagen sie uns?
Über das Leben, die Natur und uns?
Und was über unsere Wurzeln?
Eichen -
Vielleicht antworten sie dir …
Bist du bereit zuzuhören?

Eiche, der Lebensbaum:
300 Jahre gewachsen
300 Jahre gediehen
300 Jahre gealtert
900 Jahre gelebt!

Vom Blitz getroffen, ihre Krone fast kahl,
krallt sie sich immer noch fest
mit geborstenen Wurzeln …
Pilze an ihrem Stamm,
flinke Vögel huschen auf ihren Rindenwegen.
Zwischen ihren Wurzeln ein Sämling:

10 Jahre gewachsen
10 Jahre gediehen
10 Jahre gealtert
30 Jahre gelebt?
Ahorn, die neue Generation?

Eichen, Hüter der Zeit,
strecken ihre Finger weit, noch weiter
in den Raum
Unendlich weit zurück.
Wissen mit Augen von Wunden
und Narben – heilen?
Hinter der Zeit.

Eichenjahrhunderte,
kreisende Linien weit, noch weiter
in die Tiefe
unendlich lange her.
Gedächtnis im Stamm
in der Spirale - bewahren?
Geschriebene Zeit.

Blattwerk, Astwerk, Wurzelwerk -
Wie kann es sein, dass der Zusammenhalt fehlt?
Wir haben keinen Halt mehr -
Plastik statt Blätter auf dem Waldboden – bodenlos?
Stümpfe statt Kronen – fassungslos?
Wo doch alles ein Netzwerk ist:
Zusammen können wir die Hoffnung fassen, halten ...
Wurzelwerk, Astwerk, Blattwerk …


Baumpoesie

Es fallen die Blätter,
Es fällt die Zeit -
Es gibt sie nicht mehr
Die Ewigkeit …
Es gibt auch kein
Hadern, Wollen, Brauchen mehr -
Es fehlt die Zeit …
Halten, was bleibt.
Was ist, ist meine
Zeit für jedes Blatt,
Den Baum, den sich
Wandelnden Wald -
Seine Farben verschwimmen in
Der Ewigkeit.

Blätter rotbraun -
Linien
verzweigen sich
Über dem verhangenen
Himmel.
Ein weißer
Rand
verspricht
fahles Licht.
Stunden nur
verrinnen
Krähen
kreisen und
suchen
den
Schlaf.


Wolken weißgrau -
grüne Spuren
verschwimmen
im Blau,
verlaufen sich in
reich
gefüllten Bächen,
verweben sich mit ersten Melodien
im langsam dämmernden 
Gezweig.

Der Ruf der Nacht
Perlmuttkonturen
verschwimmen
in der Dunkelheit -

Der Ruf der Nacht
in der gefalteten Stille
dehnt sich aus,
füllt den Raum,

verdrängt
Geräusche
in den blauen Saum
der Stille,

der alle Geschöpfe
des Waldes hält -

auch uns, wenn wir nur still
in die Tiefe der Nacht
hinein lauschen …




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